7 kraftvolle Lieder für Überlebende von Gewalt

Dies ist eine kleine Auswahl von 7 Liedern für Überlebende von Gewalt, die ich sehr kraftvoll finde.
Lieder, die die Gewalt klar benennen, dem eine Stimme geben, aber zugleich auch Hoffnung geben und Mut machen.

1.) Lady Gaga: „Till it happens to you“

Das erste Lied handelt von sexualisierter Gewalt, wobei der Text sich grundsätzlich auf jedes einschneidende Erlebnis im Leben übertragen lässt.
Lady Gaga hat es zusammen mit Diane Warren als Soundtrack für den Film „The Hunting Ground“ geschrieben, in dem es um sexualisierte Gewalt an Hochschulen in den USA geht.

Ich empfinde es als kraftvoll, weil Lady Gaga hier darüber singt, dass niemand weiß, wie es sich anfühlt, der es nicht selbst erlebt hat. Nach der Veröffentlichung des Songs hat Lady Gaga zum ersten Mal (überhaupt und öffentlich) von der Vergewaltigung erzählt, die ihr als junge Frau im Musik-Business widerfahren ist. Gerade diesen persönlichen Bezug merkt man im Lied, finde ich.
Sie singt über Sätze wie „Kopf hoch“ und „Es wird besser mit der Zeit“, die so viele von uns gehört haben, die aber nur schmerzhaft sind und Betroffene nicht ermutigen, die eigenen Gefühle ernst zu nehmen, sondern eher die Verdrängungsmentalität unserer Gesellschaft wiederspiegeln.
Im Lied heißt es:

Tell me, how the hell can you talk?
How can you talk?
‚Cause until you walk where I walk
It’s just all talk

Til it happens to you, you don’t know how it feels

– „Sag mir, wie zur Hölle kannst du sowas sagen? Denn bis du meinen Weg gegangen bist, ist es nur Gerede. Bis du es selbst erlebt hast, weißt du nicht, wie es sich anfühlt…

Das Offizielle Musikvideo ist leider stark triggernd, aber es gibt eine sehr persönliche Live-Version von Lady Gaga und eine ebenfalls hörens- und sehenswerte Interpretation des Liedes vom Frauen -a capella – Chor „Three Miles Lost“:

Lady Gaga live

Three Miles Lost

2.) Sia: „Alive“

Dieses Lied bringt es direkt auf den Punkt:

I’m still breathing
I’m alive

– „Ich atme noch – Ich bin am Leben“

Sia singt vom Alleinesein als Kind, von dem Neid auf andere, der Hoffnungslosigkeit.
Und davon, dass sie trotz allem überlebt hat.

3.) Nadine Maria Schmidt: „Und keiner hat´s gemerkt“

Die deutsche Liedermacherin Nadine Maria Schmidt singt im Kontrast zu den ersten beiden Liedern viel ruhiger. Im ersten Moment kann man den Text womöglich noch gar nicht zuordnen. Erst wenn man tiefer eintaucht, hört man die Geschichte über die Gewalt gegenüber einem Kind. Man muss schon genau hinhören, und damit bringt das Lied schon das zum Ausdruck, was im Titel steht: meistens sind die Zeichen so subtil und kaum jemand da, der zuhört, sodass es niemand merkt. Ein Lied, das von Gewalt und Einsamkeit erzählt, vom Retten in eine Hoffnung:

Und da draußen scheint die Sonne
Und da draußen kreist mit uns der Mond

Bei diesen Zeilen muss ich daran denken, dass ich als Kind wirklich oft mit dem Mond gesprochen habe, oder mit der Straßenlaterne, die ich aus meinem Bett bei meinen Großeltern durchs Fenster sehen konnte. Die Jahre verstreichen, das bedeutet weitere Gewalt, aber auch die Hoffnung darauf, dass es irgendwann vorbei ist.
Und so singt Nadine in diesem ebenso zarten wie kraftvollen Lied am Ende:

Und ich sag!
Und ich sag Dir!
Du hast mich nie besessen!

3.) One Billion Rising: „Break the Chain“

Das Original von Tena Clark wurde zur Hymne der weltweiten Aktion One Billion Rising (Eine Milliarde erhebt sich).
Auf der ganzen Welt wird seit 2013 jährlich am Valentinstag (14. Februar) gegen Gewalt an Frauen protestiert – unter anderem mit Tanz-Flashmobs zu „Break the Chain“.

Es werden jährlich immer mehr Frauen (und Männer), die sich solidarisieren und gemeinsam ein Zeichen setzen. Und die Videos aus der ganzen Welt von so vielen Menschen, die wirklich wollen, dass sich etwas ändert an der jetzigen Situation der unbegrenzten Gewalt und Ausnutzung gegen Frauen und Kinder, finde ich sehr bewegend.

Hier ist das Originalied:

Version der Berliner
Rapperin Sookee

Deutschsprachige
Version

Version der maledivischen
Sängerin Unoosha

Mehr Infos zu One Billion Rising gibt es auf www.onebillionrising.org und auf der deutschen Facebookseite.

5.) Deshai Williams: „No More“

Ein Lied für Betroffene von häuslicher Gewalt – es macht Mut, die Gewaltspirale zu unterbrechen, bevor es zu spät ist… Es gibt viele Gründe, aus denen Gewaltbetroffene bei ihren Täter_innen bleiben. Es lässt sich wohl immer irgendeine Form von Abhängigkeit (finanziell, emotional, aus Angst) finden. Als Kind sind wir natürlich komplett abhängig von den Menschen, bei denen wir aufwachsen – und wurden damals bereits Grenzen überschritten ist die Wahrscheinlichkeit, als Erwachsene in eine Gewaltbeziehung zu geraten, um ein Vielfaches höher. Es gibt diesen Punkt, an dem man allen Mut zusammennehmen muss und endlich sagt: „Bis hier hin und nicht weiter“ – „No more!“

6.) Liljana: „Chains“

Im Lied „Chains“ der Band Liljana richtet sich die Sängerin an ihr früheres Ich. Es ist aus der Sicht einer Frau geschrieben, die mit dem Kind und der inneren Jugendlichen, die sie einmal war, spricht. Zu Beginn des Liedes findet man sich in ihrem früheren Zuhause wieder, eindrücklich wird das Flüstern der Wände und die Schreie, der Alkohol, die stattfindende Gewalt in wenigen Sätzen erzählt. Es wird dabei angedeutet, wie eine Collage – man kann sich sehr gut einfühlen. Das Lied beginnt ruhig, die Anspannung und die Bedrohung wird deutlich spürbar. Dafür hat sich Liljana viel Zeit genommen, das Lied ist gut 7 Minuten lang und baut langsam Spannung auf, bis es rockig und unendlich kraftvoll wird.
Die damals erlebte Gewalt und die Folgen davon hielten die Sängerin in Ketten gefangen, doch sie konnte sich aus vielem befreien. Und so fragt sie die Jugendliche, die in ihrer Verzweiflung anfing sich selbst zu verletzen:

„Do you think you know me as I am?
Do you think that I´m not strong enough to fight?
I release myself from the chains…“

 

– „Denkst du, du kennst mich so, wie ich bin? Denkst du, ich wäre nicht stark genug um zu kämpfen? Ich befreie mich aus den Ketten…“

Leider gibt es zu diesem Lied kein Video, aber Du kannst auf www.liljanamusic.com einen Ausschnitt anhören und es zum Beispiel hier auf Amazon kaufen.

7.) Gila Antara: „Das Kind in dir“

Dieses Lied finde ich wunderschön, weil es vom inneren Kind erzählt, dem wir heute das schenken können, was damals so bitter gefehlt hat. Gila Antara singt von den Mauern, die man aus Schutz aufbauen muss, um zu überleben. Die Emotionen von damals mussten abgespalten werden. Heute wollen sie jedoch angesehen, gefühlt und integriert werden. Das innere Kind möchte endlich den Schutz und die Liebe von uns als fürsorglichen Erwachsenen erfahren. Daraus entsteht Selbstbestimmung: wenn man als erwachsener Mensch sich verantwortungsvoll um sich selbst, und gerade die verletzten Anteile in einem, kümmert. Wie es im Lied am Ende heißt:
„Das Kind in dir, das will bei dir sein – es ist schon viel, viel zu lang allein.“